Donnerstag, 28. Oktober 2010

Ich muss atmen, um zu leben!

"Entschuldigung, es tut mir leid, was passiert ist." Die Augenpaare aller im Pausenhof stehenden sind auf mich gerichtet. Durchbohren mich, mit ihren Blicken. Vereinzelt wird getuschelt. Vom 'Stolz' weit entfernt, werfe ich meine Haare zurück, und mustere ihn mit einem kühlen Ausdruck. Ich hoffe, meine Brille dämpft den Blick in meine Seele. Einst wurde mir einmal gesagt, die Augen seien der Spiegel zur Seele. Jetzt kann ich nur hoffen, das das eine Lüge ist, und er nicht hindurch sehen kann. Würde er es doch können, wäre ich geliefert. Auf höchstem Niveau. Am Ende wahrscheinlich am Boden sitzend, die Beine angewinkelt, die Arme darum geschlungen, hin und her schaukelnd, und irgendeine dämliche Melodie summend. Im Moment sieht es noch gut aus. Halbwegs. Klares Denken ist noch vorhanden. Wäre dies dann eben nicht der Fall, würde der Hexenkessel der angestauten, unterdrückten, außergewöhnlich starken Emotionen überkochen. Die Scharade würde wie ein Kartenhaus in sich zusammen fallen, und meine schwache, so lange geheim gehaltene Seite offenbaren.


Wochen zuvor:
Nur weil die Sonne scheint, muss es nicht zwingend heißen, das es ein wunderschöner Tag wird. Vogelgezwitscher auf dem Schulweg, die Sonne, die einem in den Nacken scheint, ein lauwarmes Lüftchen, das die Nase umweht... so ein Schwachsinn. Was zur Zeit abgeht, ist die scheiß Apokalypse, so sieht´s nämlich aus! Das 'Ende der Geschichte', ohne 'Reich Gottes', und ohne "Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie glücklich und zu Frieden. Ende."-Epilog. Einfach ein großes "BÄM!". Fertig. Wie in 'Resident Evil: Apocalypse'. Kurz vor Schluss, wo Raccoon-City, von dieser abartig monströsen Atombombe in Schutt und Asche gelegt wird. Nur ohne Zombies. Zu meinem Leidwesen. Obwohl. Je nachdem, als was man die Menschen um sich herum auffasst. Im Grunde sind es Zombies. Auf der Jagd nach den neusten Gerüchten, Lügen, Klatsch und Tratsch, und der neusten Modeerscheinung. Eigener Wille absolut nicht vorhanden. Würde ich sie fragen, was 'eigener Wille' für sie ist... müsste ich wahrscheinlich aufgrund der Antworten, die sie mir geben werden weinen. Sollten die, die hier angesprochen sind, wirklich lesen können... wäre es doch von Vorteil, das ich mir einen neuen Namen, und eine neue Identität zu lege. Zur Sicherheit, versteht sich. Manchmal komme ich mir so vor, wie als wäre ich die Einzige, die es schafft einen Tick tiefgründiger zu denken, als nur an der Oberfläche zu schwimmen. Ob das der Wahrheit entspricht, oder nur Einbildung ist? Das muss ich noch herausfinden.

Schule. 5 x wöchentlich. Von Montag bis Freitag. Ohne Pause. Wochenende: Samstag und Sonntag. Normalerweise 6 Stunden. Wenn es schlecht läuft, mehr als das. Gefühlte 300 Milliarden Leute, die einem die Luft weg atmen. Im Alter von ca. 9 bis 19. Erbarmungslos. Lehrer gehören auch noch zum Inventar der eben genannten 'Schule'. Diese sind die Schlimmsten ihrer Art. Sie fragen einen ab, quälen, und finden Spaß daran. Noten. 1 ist die Beste, 6 die Schlechteste. Von Noten hängt das Leben ab. Ob man 'gut' ist, oder 'nicht gut'. Je besser man ist, desto besser wird der Job, den man erlernen kann.

Meine Mundwinkel verziehen sich zu einem hinterhältigen Grinsen. 2. Pause. 120 hat mich gehen, aus seinen Klauen. Die letzte Mathe-Stunde vor den Ferien habe ich überlebt. Ein paar Kratzer habe ich davon getragen, das aber wird Gott sei Dank wieder. Nehme ich an. Außer Mathe ist wie der T-Virus (Der aus Resident Evil!), ich bin nun infiziert, werde langsam mutieren, und dann im Endstadium meine Freunde essen. Hm. Klingt... interessant. Von dort, wo ich immer rausgehe, um in die Aula zu kommen, hat man einen perfekten Blick, auf alles. Jeden kleinen Zentimeter, um genau zu sein. Ich kann sie alle beobachten. ALLE. Mit einem einzigen, schweifenden Blick, über die Gesichter, die sich schon in kleinen Grüppchen in ihren jeweiligen Ecken versammelt haben. Eines dieser Gesichter, lehnt an einer Wand. Lässig, müde, dennoch ein wenig aufmerksam. Als es mich erblickt, grinst es ebenfalls. Um es kurz ausdrücken, in vier Worten: Es ist länger her. Länger her, das ich ihn gesehen habe. Hat er sich verändert? Na ja. Vielleicht ein wenig. Seine Haare - die, die sich in der Nacht um seinen Hals schlingen, wenn er schläft, und ihn erwürgen wollen - sind ein wenig länger geworden, doch sonst... ist alles beim Alten. Gut, ca. 5 Monate, spielen hier mit, doch was soll´s. 

"Zeiten ändern sich, sagte der Stein zur Blume und flog davon. " Wenn sich Zeiten ändern, wieso dann immer in die falsche Richtung? Nie in die Richtung, die einem Glück bringt, oder die zu den Gunsten der Menschen arbeitet. Niemals. Zu 99 % kommt die Schattenseite der Zeit hervor. Zeit. Immer existent, nicht auszutricksen, schon seit Milliarden von Jahren bekannt, und in den Köpfen der Menschen verankert. Ein ständiger Begleiter. Wichtig, und fast schon wie Erde, Wasser, Feuer, Luft. Nur eben wird diese durch vier Zahlen, in der Mitte ein Doppelpunkt, oder durch ein Ziffernblatt angezeigt.

Mir wurde von so vielen geraten, zu vergessen. Zu verdrängen. Abzuschließen. Würde dies so einfach gehen, wie mir so oft schon geraten wurde, so wäre vielleicht doch die Hoffnung bestanden, das ich nicht verrückt werde. Ja. Ich bin verrückt. In meiner linken Hosentasche befindet sich eine handliche Mini-Guillotine, mit der ich jeden, und jede köpfen werde, der/die sich mir in den Weg stellt. Vielleicht auch ohne Grund. Leicht mit Wasser abwaschbar, zusammenfaltbar, und vor Polizeikontrollen geschützt, da es sie ja nur in meiner Fantasie gibt. Genauso wie das grüne, haarige Monster, mit den langen Fingern, in meinem Kleiderschrank, das im Dunkeln nach meinem Leben, und meinem Fleisch trachtet. Und vielleicht auch meinem Wissen. Da wird es aber nicht fündig werden. Die pinken Glitzereinhörner, mit denen ich zur Schule fliege, stehen angeleint an einer Laterne, schräg rechts vom Haupteingang entfernt. Und zu guter Letzt... der Kerl, oben an der Wand. Nicht mehr, als eine Einbildung.

"Hey! Starr da nicht so hoch, sonst fühlt er sich noch angegriffen! Oder ziehst du ihn mit deinem Blick aus?", höre ich eine Stimme hinter mir fragen. "Ausgezogen hab ich ihn schon. Auch ohne Blick...", murmle ich geistesabwesend, und starre weiter. "Bilde ich mir das auch wirklich nicht ein?" Ich bilde mir oft Dinge ein, die dann so gar nicht da sind, wie ich sie sehe. "Ja. Sicher. Sonst würde ich ihn auch nicht sehen. Der steht aber da oben. Guckt dich an. Seltsam, wenn du mich fragst." Ich frage aber nicht. Ich frage nie. Ich nehme hin, und lasse geschehen. Ohne daran zu rütteln. Wird schon seinen Grund haben. Hoffentlich. Wenn nicht, habe ich all die Jahre wohl etwas falsch gemacht. So was passiert. Menschen sind nicht perfekt. Ganz und gar nicht perfekt. Jeder hat seine Leichen im Keller. Die einen wirklich, die anderen im übertragenen Sinn. Was sind meine Leichen?

Das ich mich noch auf den Beinen halten kann, verwundert mich. So sehr, wie meine Knie hin und her wakeln, bei jedem Schritt, den ich die Treppen vor mir hinunter gehe. Atmen fält mir schwer. Alles scheint sich ein wenig zu drehen. Cool. Schräger, 3D-Boden. Ziemlich geil. Das auch noch umsonst. Ich muss kein Geld im Kino dafür hinblechen, und eine seltsame Brille aufsetzten. Was hab ich für ein Glück. Sollte ich es länger hier in der Aula aushalten, kann ich für nichts garantieren. Ausraster, Panikattacken - welchen ich gerade SEHR nahe bin - oder anderer, lustiger Scheiß. Da bin ich vielseitig. Je nachdem, wie´s zur Situation passt. Oder auch nicht. 

Fast schon fluchtartig, verlasse ich die Aula. Einfach weg. Weg, weg, weg. Hinfort. In ein anderes Leben. Meins zurück lassen. War ja eh nichts wert. Bzw. kaum etwas. Frische Luft, wäre von Vorteil. Um die Gedanken in den Griff zu kriegen, und halbwegs runter zu kommen. Vom Trip des letzten Jahres, und paar Monate, die sich dazu reihen. Dinge ungeschehen machen, und weiter leben.

"Jetzt hast du ihn ein wenig verwundert. Der hat fei voll geschockt geschaut." Immer diese fliegenden Stimmen um mich herum. Wie Seifenblasen. Mysteriös. "Mir egal. Ist mir alles egal. Soll er doch. Wenn´s im Freude bereitet.", antworte ich trocken, und lache hysterisch. Absolute Nebenwirkungen von menschlicher Abhängigkeit. Bzw. dem Entzug der menschlichen Abhängigkeit. "Was ist denn los mit dir? Sonst hast du dich doch immer gefreut, wenn er da war." 

"Sind wir es wert, gerettet zu werden? Sag du´s mir." (George A. Romeros Diary of the Dead).

Dies ist nur eine Geschichte. Ausgedacht. Ich habe mich hinvorttreiben lassen. In... wo auch immer hin. Bruchstückartig wieder gegeben, in Absätze aufgeteilt. Teilweise macht es Sinn, teilweise auch überhaupt nicht. 
'Diary of the Dead' ist ein guter Film. Lohnt sich, den gesehen zu haben!

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