Sonntag, 21. November 2010

Ein perfekter Kreis - 3. Kapitel: Alte Leute, neue Wohngegend.

"„Hey! John! Bleib mal stehen! Ich muss mit dir reden.“ Keinerlei Reaktion. Wispi sagte, er hieße „John“. Wieso hört der dann nicht auf „John“?!

„John! STEHEN BLEIBEN!“ Unbeirrt läuft er weiter, gerade aus. Seine grüne Jacke leuchtet unter dem Licht der Straßenlaterne. Hört der mich nicht, oder was?

Wütend sprinte ihm entgegen, packe sein rechtes Handgelenk, und zwinge ihn somit stehen zu bleiben. „WAS?!“, blufft er mich an. Habe ich ihn wohl beim Denken gestört? Das tut mir aber nicht leid.

„Wir müssen reden.“, wiederhole ich mich, und beobachte durchdringend seine Reaktion. Unbeirrt zuckt er mit den Schultern. „Und? Was hab ICH damit zu tun?!“, faucht er mich an.

„Wispi hat mich zu dir geschickt. Heute, auf dem Weg hierher, ist mir ein… ich nenne es mal „Mangel“ aufgefallen. Hast du dir schon mal überlegt, was passieren würde, wenn die Untoten Tiere infizieren könnten? Oder das sogar bereits tun? Was mit den Kühen passiert? Den Pferden? Ob die auch zu Fleischfressern werden, und den Menschen auf den Fersen sind, um sie mit Lust an der Freude in Stücke zu fetzten?“

Es scheint so, wie als würde John überlegen. Ohne irgendeine Vorwarnung, macht er sich von mir los, und geht weiter. „Heute? Auf dem Weg hierher? Du bist neu. Reg dich nicht auf. Wir haben das im Griff. Wir leben schon länger hier, als du, also… schalt mal ab, und genieße dein Leben hier!“

Was… zur Hölle?! „Was´n das für ein eingebildetes Arschloch? So ein Wichser. Man, ne. Bin ich froh, das ich dem keine Freundschaftsanfrage in cc geschickt hab, als es so was noch gab. Hätte er eh bloß als ‚Trophäe‘ angesehen. So ein Arsch! Ich könnte mich jetzt über den aufregen… man.“

„Alles wird gut. Er ist gar nicht so. Nur wenn es um „seinen“ „perfekten Kreis“ geht, wird er zum Arschloch. Sonst ist er eigentlich total nett, und hilfsbereit. Wirklich. Hinter diesem Kerl steckt eigentlich viel mehr, als das cc-Profil. Man muss ihn nur kennen lernen. Wirklich… Und jetzt, auf geht´s! Zu mir nach Hause! July wartet.“

„Häh?“ Etwas schlaueres fällt mir im Moment nicht ein. „Julia? Hm? Macht´s „klick“ bei dir?“ Weiterhin könnte man mit meiner Dummheit Regenwälder zum Anzünden bringen. „Nein.“, sage ich deshalb, und lache dämlich. „Nein?“ Wispi schlägt sich die Hand gegen den Kopf.

Um vom Thema abzulenken, fällt mir gerade etwas ein, was ich auf dem abgegriffenen Zettel gelesen habe, der im Empfangszentrum lag. „Wispi? Diese „Waffenausbildung“… kann man da noch mitmachen? Ich meine, es ist Mitte September. Ginge das noch? Wenn ja, würde ich sehr gerne!“ Waffen sind nicht schlecht. Vor allen Dingen, in der „heutigen“ Zeit. Zombies, tödliche Viren, und all so ein Zeug. Da ist es doch fast „normal“, das man seine eigene Waffe besitzt, um sich vor Untoten verteidigen zu können.

„Ich rede morgen mit Michael. Wenn du unbedingt willst, bringen wir dich da schon unter. Er schuldet mir eh noch einen „kleinen“ Gefallen…… nicht weiter laufen, hier geht´s rein!“ Wispi lotst mich in einen Hauseingang, der von zwei Schutzhelm-Typen bewacht wird. „Guten Abend, die Herren.“, grüßt sie die beiden, die daraufhin ergeben nicken. WAS hat die mit den Typen gemacht, während ich weg war?!

„July! Wir haben einen Gast! Bzw. vielleicht auch eine neue Mitbewohnerin! Kannst du mal das letzte leere Zimmer frei machen?!“, schreit Wispi durch die halbe Wohnung, als sie mich eintreten lässt.

Eine normale Wohnung, wie es scheint. Bad, Küche, Wohnzimmer, und noch drei extra Zimmer. Interessant. Alles in einem hellen Blau-Ton gehalten, und mit Postern von irgendwelchen Veranstaltungen, Versammlungen, und Beschlüssen tapeziert. Skeptisch starre ich all diese an.

„Wenn du lang genug hier bist, verstehst du das schon. Mal sehen, vielleicht kriegen wir dich auch mit in den Rat. Oder zu den Schutzhelm-Typen, solltest du gut genug sein, und das auch wollen.“, erklärt mir Wispi. Hinter mir geht eine Tür auf.

July… ach so. „July“. Da hätte ich früher drauf kommen müssen. Entsetzt sieht diese mich an. Sie macht keinerlei Anstalten, sich zu bewegen. Nach einer längeren Weile, verwandelt sich ihr Entsetzen in  Freude. „Du… lebst!“, stellt sie fest, und umarmt mich. Bestimmt noch fester, als Wispi es vorhin getan hat.

„Noch.“, presse ich unter ihrer affenstarken Umarmung hervor. „Noch?“, fragt sie verwundert nach. „Ja. Solltest du weiter so auf meine Luftröhre drücken, werde ich dir wahrscheinlich umfallen, weil ich keine Luft bekomme!“, versuche ich mich zu retten, und es klappt. Sie lässt mich los.

„Ihr habt nicht zufällig… Klamotten? Die hier… hab ich schon ein wenig länger an. Und sie stinken, sind versifft, und vergammelt. Irgendwo müsste sogar Blut kleben. Nicht meins. Wir hatten da so eine kleine Auseinandersetzung, mit einem lieben, älteren Herren, der der Meinung war, seine Wohnung nicht für uns frei machen zu müssen… keine ernste Sache.“ Aufmunternd lächle ich.

„Klar. Komm mit. In Julys Zimmer wirst du alles finden, was dein Herz begehrt. Sie hat gebunkert. Ich hab gemeint, sie soll auch was für dich bunkern, da… du wahrscheinlich irgendwann zu uns stoßen würdest. Und… wie du siehst… hatte ich recht!“ Triumphierend zwinkert Wispi mir zu, und verschwindet im Bad. Ich folge July in das hinterste Zimmer der Wohnung.

„Ihr wohnt hier allein? Stell ich mir recht lässig vor, oder?“ Konversation. Gepflegte Konversation. Oder einfach nur, um nicht dumm rumzustehen, während July mir die Sachen aus dem Schrank zieht, die für mich aufgehoben worden sind.

„Manchmal, ja. Manchmal, nein. Jemand muss halt das Klo sauber machen, nach einer Weile, und den Abwasch erledigen. Das… ist nicht so toll, aber gut. „Neuer Name, neues Leben!“… das Zimmer, in dem du wohnen wirst – vorausgesetzt, du magst dich uns „anschließen“? – befindet sich neben meinem. Kannst du nicht verfehlen. Wispi wird dich morgen früh wecken, wenn sie meint, die Zeit sei „reif“. Bis dahin, wünsche ich dir eine gute Nacht. Ich freu mich, das du es geschafft hast.“

So wie sie es sagt, scheint sie es ernst zu meinen. Im „richtigen“ Leben, hatten wir die ein, oder anderen Probleme miteinander. Vielleicht wird das ja im „neuen“ Leben anders.

Wie July gesagt hat, das Zimmer kann ich nicht verfehlen. Besonders, weil die Tür ganz in rosa gehalten ist, und einen schwarzen Rahmen hat.

Wenn man solche Zimmer betritt - Zimmer, die markanter sind, als andere - überlegt man sich, wer hier gewohnt hat, ob diese Person noch lebt, und irgendwann zurück kommen möchte.

Das ist nur am Anfang so. Mit der Zeit ist es einem dann egal. Dann ist man nur noch glücklich, das man ein Dach über dem Kopf hat, und irgendwo schlafen kann, wo es halbwegs warm ist, und man nicht im Halbschlaf gondelt, weil man Angst hat, das jeden Moment, aus irgendeinem Eck – wahlweise auch durch eine Wand (Hatten wir alles schon gehabt!) – ein Untoter kommt.

Die Klamotten, die mir July gegeben hat, lege ich auf den Fußboden neben das Bett. Normale Bettwäsche. Die Tür - die sogar ein Schloss hat - sperre ich zu. Für den Fall, der Fälle.

Ohne mich umzuziehen, schmeiße ich mich ins Bett, und schlafe ein.

Keine Autoalarmanlagen, keine ächzenden Zombies, einfach nur Ruhe."

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